Föhrenwald

GEDICHTE

... aus längst vergangener Zeit  (© H. Deutsch)

1997: 

Der Föhrenwald



Reste von Schnee, ganz bleich und verhärmt
harren noch, kraftlos und tot
zwischen Erikafeldern, die sonnendurchwärmt
schon leuchten in purpurnem Rot.


Der Wald ist erfüllt von Vogelgesang
Buchfinken, Meisen und Specht.
Zwei Falter torkeln am Wegrand entlang,
versunken im Paarungsgefecht.


Unter hohen Föhren, von Gräsern gestützt
blüht das Knabenkraut zierlich und hold.
Zwischen Kranewitstauden, sonnengeschützt,
leuchten Schuhe aus prächtigem Gold.


Ein Schwalbenschwanz lässt sich nieder und klebt
auf weißliche Dolden ein Ei,
zieht ein paar Schleifen im Wald und er schwebt
mir knapp an der Nase vorbei.


Der Sommer hält Einzug, die Trockenheit kracht,
die Hitze des Nachtmittags steht.
Die Vögel sind stumm, warten still mit Bedacht
bis der drückende Nachmittag geht.


Ein Zitronenfalter, ermüdet und matt,
torkelt müßig durch sein Revier,
leuchtend und gelb wie ein schaukelndes Blatt
auf der Suche nach einem Quartier.


Der Sommer ist faltig, der Herbst schaut herein,
entwickelt sein farbiges Spiel
auf Blättern und Gräsern, auf Felsengestein,
als sei dies sein einziges Ziel.


Die Schatten der Bäume sie greifen schon kalt
vom Waldrand hinein in das Land.
Die Lieder verstummen, das Jahr ist schon alt.
Berggipfel im Wintergewand.


Eisige Winde vom Norden her weh´n
durch die Baumwipfel, hämisch und hart,
dass bald auf den Gräsern Kristalle entsteh´n
und Wachstum und Leben erstarrt.


Wacholderzweige zu Boden gedrückt,
gefangen in Kälte und Eis.
Die Felsenbirnen vornüber gebückt
tragen Hauben aus flockigem Weiß.


Der Föhrenwald passt nicht in unsere Zeit,
die von Technik und Selbstsucht erfüllt.
Die Bäume, die einst mich von Sorgen befreit
sind in staubiges Lärmen gehüllt.


Jahrhunderte sah er vorüber geh´n:
Katastrophen und Kriege und Pest.
Er wird auch im nächsten Jahrhundert noch steh´n,
vorausgesetzt, dass man ihn lässt!